Verabschiedung von Werner Nauber
Der Nimmermüde sagt Tschüss
Die Internationalen Deutschen Meisterschaften in Oberhof sind seine Abschiedsvorstellung: Werner Nauber hört auf – nach sagenhaften fünfeinhalb Jahrzehnten als Langlauftrainer. Zur Überraschungsehrung kommt unter anderem ein Olympiasieger.
Eigentlich ist Friedhelm Julius Beucher selbst seit einigen Monaten im Sportfunktionärs-Ruhestand. Im Mai 2025 endete die 16 Jahre währende Ära des wortgewaltigen und anekdotenreichen Beuchers als Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS); er ist seitdem Ehrenpräsident. Die Reise aus seinem Wohnort Bergneustadt im Bergischen Land ins thüringische Oberhof wollte sich der 79-Jährige in dieser Woche dennoch nicht nehmen lassen. Sein Herzensanliegen: Werner Nauber persönlich zu verabschieden.
Der 84-Jährige ahnte von der bevorstehenden Ehrung nichts. Verdient hat er sie allemal – nach 55 Jahren als Langlauftrainer. „Das, was du geleistet hast, ist wahrscheinlich einmalig“, sagte Beucher. Basis der Karriere war ein Unglück: Bei der Olympiaausscheidung der DDR für die Spiele in Innsbruck 1964 stürzte Nauber und zog sich eine Kreuzbandverletzung zu. Es war das Ende seiner aktiven Laufbahn. Der ausgebildete Tischler nahm ein Fernstudium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur Leipzig auf und wurde Diplom-Sportlehrer. Seine erste Trainerstation war sein Heimatverein SC Traktor Oberwiesenthal.
In der Folge trainierte Nauber die Junioren und den Nationalkader der DDR. Nach der Wiedervereinigung fungierte er als Co-Bundestrainer der gesamtdeutschen Mannschaft, später als Chefwachser. 2005, da war er eigentlich schon Rentner, übernahm er den Posten als Bundestrainer für den Bereich Para Skilanglauf und Para Biathlon. Er führte die Mannschaft unter anderem mit Verena Bentele zu insgesamt 26 Paralympics- und WM-Medaillen, darunter zehn goldenen. Als der heutige Bundestrainer Ralf Rombach 2012 übernahm, hieß das für ihn nicht, sein Engagement fürs Team einzustellen. Nauber wurde Co-Trainer.
Frank Ullrich zollt dem Dauerbrenner seinen Respekt
„Die Art und Weise, wie nahtlos und vertrauensvoll der Übergang damals funktioniert hat und wie ihr seitdem zusammengearbeitet habt, ist bemerkenswert“, sagte Beucher an Rombach und Nauber gewandt. Als zusätzliche Überraschung hatte der DBS-Ehrenpräsident einen Mann eingeladen, der seinerseits keine Sekunde mit einer Zusage zögerte: Frank Ullrich, 1980 in Lake Placid Biathlon-Sprint-Olympiasieger für die DDR, neunfacher Weltmeister und langjähriger Nationaltrainer sowohl im Langlauf als auch im Biathlon. „Hut ab, Werner! Ich habe die höchste Achtung vor dir“, sagte Ullrich und erinnerte sich, wie er Nauber in der Skihalle Oberhof mit Andrea Eskau in deren Anfangszeit als Para Skilangläuferin hatte arbeiten sehen.
Bei der 54-Jährigen, die eigens von der Para Radsport-WM in Ronse (Belgien) nach Oberhof gereist war, sind diese Erinnerungen gleichermaßen präsent. „Ich weiß, was ich dir zu verdanken habe“, sagte die vierfache Goldmedaillengewinnerin der Winter-Paralympics. 2009 seien die Anfänge im Sitzschlitten holprig gewesen. Nauber erkannte ihr Potenzial und entwickelte es. Wenige Monate später Eskau gewann in Vancouver Silber und Bronze und vergoss an der Seite ihres Trainers Freudentränen.
Nauber begleitete Eskau bis zuletzt – winters wie sommers. Bei der Verabschiedung zitierte sie einen Satz, der charakteristisch ist für das Auftreten des Geehrten: „Lieber langsam mit Bedacht als ganz schnell und dann schlapp gemacht.“ Nauber kombinierte seine große Expertise immer mit einem Augenzwinkern. Er war ein Trainingsplanfuchs, ein Meister der Belastungssteuerung. Wer – wie unter anderem Eskau – mehr trainieren wollte, als er für sinnvoll erachtete, den ließ er achselzuckend gewähren. Der- oder diejenige musste dann halt damit rechnen, hinterher einen anderen Satz von ihm zu hören: „Da sieht man mal, wie wenig man mit so viel Training erreichen kann.“
Noch immer fleißig mit dem E-Bike unterwegs
Die Athletinnen und Athleten taten gut daran, seine Ratschläge zu befolgen. Gerade die ganz jungen, denen er bis zuletzt sehr geduldig und mit großer Freude Grundtechniken nahebrachte. Selbst sein Nachfolger Ralf Rombach verkündete: „Ich habe bei dir immer genau hingeschaut und hingehört.“ Parallel zeigte sich Nauber immer sehr zuverlässig und dienstbeflissen. Er war sich beispielsweise auch im hohen Alter nicht zu schade, im Trainingslager im italienischen Livigno Schnee zu schippen, damit Sportlerinnen und Sportler im Sitzskischlitten über Straßen kommen, die Streckenabschnitte voneinander trennen.
Damit ist jetzt Schluss. Die Knie machen nicht mehr richtig mit. Werner Nauber ist trotzdem auch mit 84 noch sportlich aktiv; auf seinem E-Bike treibt er kontinuierlich seinen Kilometerstand hoch: in neun Jahren sind mehr als 40.000 Kilometer zusammengekommen. Ansonsten will er sich jetzt endlich mehr seiner mit ihm in Sehmatal (Erzgebirge) lebenden Familie widmen. Ihr bringt er aus Oberhof reichlich Geschenke mit – mit allerlei Leckereien gefüllte Präsentkörbe etwa und Salz aus Nordthüringen. Die übergab Volker Stietzel, der Präsident des Thüringer Behindertensportverbandes, dem Sachsen mit den Worten: „Du bist für uns das Salz in der Suppe.“
Werner Nauber, der stets Bescheidene, selbst musste sich angesichts all des Lobs und des Danks erst mal sammeln. Viele aktuelle Mitglieder des Nationalkaders hat er mitgeprägt, hat ihnen Tipps gegeben, woran sie arbeiten, worauf sie achten sollen. Vermeintliche Kleinigkeiten mit großer Wirkung. „Es war mir eine Freude, ein kleines bisschen Anteil an euren Erfolgen gehabt zu haben“, sagte er ihnen. Das unmittelbar folgende Abschiedswort sorgte für Gelächter im Raum. Es lautete, schlicht und trocken: „Tschüss!“
Foto: Benjamin Schieler
