Para Ski nordisch Weltmeisterschaften 2025
Langlauf im Herzen, WM vor Augen
Vor zwei Jahren holte Sebastian Marburger in seinem ersten WM-Rennen direkt Gold mit der Staffel. Nun gilt er als Kandidat für Einzelmedaillen in Toblach und Trondheim. Doch zunächst steht die Para Biathlon-WM in Pokljuka an.

Die Blicke der anderen zeugten von Neugierde, Interesse, Überraschung an jenem 29. Januar 2023. Da stand dieser Neue für Deutschland in der Aufstellung der Langlauf-Staffel der Para WM im schwedischen Östersund und die Wenigsten kannten ihn, weil er zuvor lediglich ein einziges Weltcup-Rennen absolviert hatte. So richtig neugierig, interessiert, überrascht blickten die anderen drein, als der Neue loslief und sich an die Spitze setzte, als er mit gerade einmal einer Sekunde Rückstand auf zwei Paralympics-Sieger, den Norweger Kjartan Haugen und den Ukrainer Dmytro Suiarko, ins Ziel lief.
Der Neue, der mit seinem fulminanten Einsatz als Startläufer die Grundlage für den späteren deutschen Sieg im Staffel-Rennen legte, heißt Sebastian Marburger und kommt aus Bad Berleburg in Westfalen. Bevor ihm 2020 nach einem Motorradunfall das rechte Bein amputiert werden musste, war er bereits Langläufer gewesen. Im Deutschlandpokal lief er auf Podien, im Continental Cup ist ihm ein sechster Platz in einem 15-Kilometer-Klassisch-Rennen im slowenischen Planica in Erinnerung geblieben. Dagmar Knoche, seine Trainerin beim SK Wunderthausen, damals wie heute sein Verein, nennt er Ersatzmutter. Und in einem Interview bezeichnete er den Langlauf einmal als „lebenslange Liebe“. Doch nach der traumatischen Erfahrung seines Unfalls war an seinen Herzenssport zunächst nicht zu denken gewesen – bis er in Kontakt mit dem Nordic Paraski Team Deutschland kam.
Nach anfänglicher Skepsis den Schalter umgelegt
Der deutsche Bundestrainer Ralf Rombach erinnert sich, dass Sebastian Marburger erst skeptisch gewesen sei, ob das bei ihm funktionieren könne, wie das bei ihm funktionieren solle – Langlauf mit Prothese. „Ich hatte Bedenken“, gibt Marburger zu. Doch die Ansätze waren gut, die Grundlagen vorhanden. Im Dezember 2022 startete er im finnischen Vuokatti das erste Mal bei einem Para Weltcup. „Es war ein Schubser ins kalte Wasser“, erinnert er sich schmunzelnd. „Aber ich habe mir keinen Druck gemacht. Ich habe mir gesagt: Das muss nicht auf Biegen und Brechen klappen.“ Es klappte. Wenige Wochen später folgte der WM-Auftritt. Hinterher war ihm die große Aufmerksamkeit gewiss. Das ZDF bat zum Siegerinterview, es gab zig Anfragen von Medien aus seiner Heimatregion, sein Verein organisierte einen großen Empfang.
Der heute 27-Jährige nahm es stoisch hin. Er ist kein Lautsprecher. Keiner, der das Rampenlicht sucht. War es nie, wird es wohl nie sein. „Der Unfall hat meine Persönlichkeit nicht verändert“, sagt er. Markige Ansagen wird sind von ihm nicht zu hören. In seiner Ruhe liegt Kraft, liegt Konzentration, liegt die Gewissheit, dass das bei ihm funktioniert – Langlauf mit Prothese. „Nach seinen ersten Starts hat sich ein Schalter umgelegt“, sagt Ralf Rombach. Das schlägt sich auch in Resultaten wieder. Im Sprint, schon früher seine Lieblingsdistanz, gewann er in diesem Winter beide Weltcup-Rennen in der Klasse der stehenden Männer – im Dezember in Vuokatti, am Ort seines Debüts, vergangenen Samstag in Val di Fiemme (Italien), auf der Strecke der Paralympics 2026. In beiden Fällen schockte er die Konkurrenz als Prologschnellster und schmiedete in den Halbfinal- und Finalläufen eine Taktik, die ihn zum Sieg führte.
Leistungssport unter besonderen Bedingungen
Mit seiner Prothese kommt er immer besser zurecht – nach kleinen, aber wirkungsvollen Anpassungen an den Prothesenfüßen, die der Hersteller Ottobock mit und für ihn ausgetüftelt hat. „Dafür bin ich unglaublich dankbar, dass sie sich so ins Zeug gelegt haben“, sagt er. Und auch seine berufliche Situation hat sich entspannt. Nach Ende seiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei BIKAR Metalle in Bad Berleburg reduzierte er sein Arbeitspensum auf 30 Stunden pro Woche, damit mehr Zeit zum Training rund um Winterberg bleibt. „Mein Arbeitgeber steht hinter mir“, berichtet er.
Im Vergleich zur Konkurrenz sind diese Umstände dennoch speziell. Während einige Langlauf-Spezialisten anderer Nationen nach dem Weltcup in Val di Fiemme direkt nach Toblach ins Südtiroler Pustertal fuhren, wo kommende Woche drei WM-Rennen auf dem Programm stehen, machte sich Marburger auf den langen Heimweg, kam nachts an und ließ sich am frühen Montagmorgen von seinem Wecker aus dem Bett schmeißen, um seine Schicht anzutreten.
Müdigkeit vorzutäuschen liegt ihm freilich fern. Und ohnehin liefert die WM-Vorfreude enorm viel Energie. In Toblach steht für ihn in erster Linie am 12. Februar ein Zehn-Kilometer-Klassikrennen an, tags darauf ist er erneut ein Kandidat für die Staffel. Und dann ist da der 4. Und 5. März, wenn im Programm der nordischen Ski-Weltmeisterschaften des Weltverbands FIS die Para Skilanglauf-Sprint-Rennen in Trondheim über die Bühne gehen werden. Trondheim, jener magische Langlauf-Ort in Norwegen, den Marburger noch nicht kennt, den er unbedingt kennenlernen will. Und wenn ihn seine Konkurrenten dann am Start sehen werden, ist eines sicher: Unterschätzen wird ihn keiner mehr.
Neun Deutsche reisen zur Para Biathlon-WM
In dieser Woche stehen jedoch zunächst die besten Para Biathletinnen und Biathleten der Welt im Mittelpunkt. In Pokljuka kämpfen sie in drei Wettkämpfen um Medaillen. Für Deutschland gehen drei Sportlerinnen und sechs Sportler (plus vier Guides von Sehbeeinträchtigten) an den Start. Mit dabei sind auch Steffen Lehmer (WSV Clausthal-Zellerfeld) und Max Long (SV Kirchzarten), die beim Weltcup in Val di Fiemme aus beruflichen bzw. Krankheitsgründen fehlten.
Bei Youngster Long ist macht sich die Krankheit noch immer bemerkbar. Alle anderen sind fit und voll motiviert. „Wir wollen an unsere Leistungen von Val di Fiemme anknüpfen“, sagt Bundestrainer Ralf Rombach – im Fleimstal gab es in zwei Rennen sieben deutsche Medaillen. „Vielleicht können wir leistungstechnisch sogar noch eine kleine Schippe drauflegen.“ Die Bedingungen in Pokljuka, wo sie in der Austragung von Weltcups der Non-Paras geübt sind, passen laut dem Bundestrainer. „Es macht alles einen guten Eindruck.“
Das deutsche Aufgebot für Pokljuka (Name, Alter, Geburtsort, Verein):
Frauen mit Sehbeeinträchtigung: Johanna Recktenwald (23 / St. Wendel / Biathlon-Team Saarland, Guide: Emily Weiß / 21 / Freiburg / SV Kirchzarten), Leonie Walter (21 / Freiburg / SC St. Peter, Guide: Christian Krasman / 23 / Stühlingen / Ski-Club Schönwald)
Frauen sitzend: Anja Wicker (33 / Stuttgart / MTV Stuttgart)
Männer mit Sehbeeinträchtigung: Nico Messinger (30 / Freiburg / Ring der Körperbehinderten Freiburg, Guide: Robin Wunderle / 26 / Freiburg / SC Todtnau), Lennart Volkert (21 / Berlin / PSV München, Guide: Nils Kolb / 22 / Freiburg / SV Kirchzarten)
Männer stehend: Alexander Ehler (55 / Leninogorsk (KAZ) / SV Kirchzarten), Steffen Lehmker (36 / Uelzen / WSV Clausthal-Zellerfeld), Max Long (18 / Rottweil / SV Kirchzarten), Marco Maier (25 / Oberstdorf / SV Kirchzarten)
Der Zeitplan für die Para Biathlon-WM:
Donnerstag, 6. Februar: Sprint (7,5 km)
Samstag, 8. Februar: Sprint-Verfolgung (2,4 km für sitzende Klasse, 3,6 km für stehende Klassen)
Sonntag, 9. Februar: Einzelrennen (12,5 km)
Weitere Informationen:
https://www.biathlon-pokljuka.com/en/para-biathlon-world-championships/
Foto: newspower.it